In jedem Jugendaustausch geht es darum, durch Gruppenerfahrungen Beziehungen aufzubauen und zu erleben. Vielleicht könnte die Frage aufkommen, warum es rund um Online-Gaming einen Jugendaustausch braucht. Wenn es so leicht ist, Beziehungen über Onlinespiele aufzubauen, wozu braucht es dann eine organisierte Veranstaltung mit Facilitation und Moderation?

Den Unterschied macht die Differenzierung von sozialem Kapital, genauer gesagt von Social Bonding und Social Bridging. Soziales Kapital meint die Vorteile und Ressourcen, die aus Beziehungen und Netzwerken zwischen Menschen entstehen und einen individuellen oder gemeinschaftlichen Nutzen haben. Social Bridging (deutsch ‚soziale Brücke‘), beschreibt die Kontakte innerhalb von diversen und heterogenen Gruppen. Das sind soziale Verbindungen zwischen Menschen, die aus unterschiedlichen Lebenskontexten, Kulturen und sozialen Hintergründen kommen. Es findet Begegnung statt, die im Alltag wahrscheinlich nicht entsteht. Im Kontrast dazu beschreibt Social Bonding (deutsch ‚Band‘) stärkere Beziehungen, die von Vertrauen und emotionaler Tiefe geprägt sind. Bonding bedarf ein Kennenlernen auf tieferen Ebenen und die Erfahrung von Gemeinsamkeiten bzw. gemeinsamen emotionalen Erfahrungen. Es braucht vertrauensvolle Erlebnisse, gegenseitige Unterstützung, Offenheit und die Bereitschaft sich verletzlich zu zeigen (Lange, 2018).

Eine schwedische Studie aus dem Jahr 2021 hat den Effekt von Online-Gaming auf das Soziale Kapital untersucht. Dabei zeigte sich, dass bei Gaming mit Freund:innen sowohl Social Bridging als auch Social Bonding Effekte stattfinden. Auf dem bestehenden Beziehungslevel kann im Online-Gaming aufgebaut werden. Spielen hingegen fremde Personen miteinander, geschieht zwar Social Bridging, aber kein Social Bonding. Es gibt demnach eine Beziehungsebene, die als Ressource erlebt wird, allerdings erreicht sie nicht die Tiefe und das Vertrauensniveau, das im Jugendaustausch erlebt werden möchte.

Um Social Bonding bzw. tiefergehende Beziehungen zu fördern, braucht es laut der Studie Elemente über das Spielen hinaus (Feng, 2021). Dies kann durch die Förderung von Diskussionen, gemeinsamen Reflexionen und Aktivitäten geschehen, die tiefere persönlichere Verbindungen ermöglichen. Der Übergang von Social Bridging zu Social Bonding ist ein wesentlicher Schritt, um langfristige Verbindungen und ein tiefes Verständnis zwischen den Teilnehmenden aus verschiedenen Kulturen zu fördern.

Die Kontakthypothese bekräftigt, dass intergruppale Kontakte unter bestimmten Bedingungen Vorurteile reduzieren können (Allport, 1988). Es gibt vier Bedingungen, unter denen die Kontaktsituation besonders positive Auswirkungen auf die Reduzierung von Stereotypen und Vorurteilen hat:

Die Zusammenarbeit an einem gemeinsamen Ziel oder einer gemeinsamen Aufgabe ist ein Kernbaustein des Jugendaustausches mit Gaming. Eine Beschreibung der gemeinsamen Zielstellung bei der Erprobung von play it forward ist hier zu finden: Gemeinsame Zielstellung für die Teilnehmenden- die digitale WG

Besonders der letzte Aspekt der ‘Begleitung’ lässt erkennen, dass die positiven Effekte der Bindung und des Beziehungsaufbaus verstärkt werden, wenn die Jugendleiter:innen den Raum halten.

Aus Online-Gaming wird somit ein Jugendaustausch, wenn das Spielen in einen Kontext eingebettet und begleitet wird, um Spieleerfahrungen zu vertiefen und zu reflektieren. Dadurch erhält die Rolle der Jugendleiter:innen eine wesentliche Bedeutung.

Quellenverzeichnis

Allport, G.W. (1988). The nature of prejudice (Ch. 1-4). Cambridge, MA: Perseus Books Publishers.

Lange, T. (2018). Entwicklung und Verfall von Sozialkapital: Ökonomische Perspektiven zu einem soziologischen Konzept. https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-58480-6

Feng, Shuang (2021): Friends or Strangers? Modeling Types of In-game Relationship, Social Capital and Psychological Well-being. Uppsala University; https://www.diva-portal.org/smash/get/diva2:1574833/FULLTEXT01.pdf

<aside> 🗺️ Spielend Verbinden: Pädagogische Einblicke in den digitalen Jugendaustausch mit Gaming

Einleitung Pädagogik

Potenziale von Games - Spielend Lernen

Wie aus digitalem Gaming ein Jugendaustausch wird

Mehr Zugang durch digitales Gaming – geht das?

Interview mit Dr. Nico Nolden, Experte Games in Kinder- und Jugendarbeit

Kriterien für die Auswahl von Games

Die Rolle der Jugendleiter:in - Pädagogische Begleitung

Risikoprävention im Online-Gaming

Gemeinschaftliche Spielerfahrungen und kollaborative Spielmechaniken als wirksame Methoden der internationalen Jugendarbeit

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