Die Gestaltung der digitalen Gaming Umgebung ist wie bei einem physischen Jugendaustausch einflussreich für den Erfolg der Veranstaltung. Viele beziehungsbildende Prinzipien funktionieren im physischen und digitalen Kontext genau gleich und daher gibt es viele Übertragungsmöglichkeiten. Beim digitalen internationalen Jugendaustausch sind die Teilnehmer:innen jedoch bei möglichen Settings physisch in ihren vertrauten Umgebungen und mental im digitalen Raum. Dieser doppelte Kontext bringt spezifische Anforderungen an die Gestaltung mit sich.

Um die Rolle der sozialpädagogischen Begleitung wirksam zu gestalten und auszufüllen, ist es vorteilhaft, eine wertschätzende Haltung auf Augenhöhe gegenüber den Teilnehmenden zu entwickeln. Bei einem Jugendaustausch, der Gaming integriert, sind die Teilnehmenden oft Expert:innen ihrer eigenen Lebenswelt und bringen nicht selten bereits Erfahrungen und Fähigkeiten im Bereich des Gamings mit. Eine Kommunikation auf Augenhöhe und die aktive Einbeziehung der Teilnehmenden in die Planung und Gestaltung der Programminhalte spielen eine entscheidende Rolle für den Erfolg des Austausches. Indem man die Teilnehmenden partizipativ einbindet und ihre Bedürfnisse berücksichtigt, lässt sich ihre aktive Beteiligung während des gesamten Jugendaustausches fördern.

Die Jugendleiter:innen spielen eine bedeutsame Rolle in Bezug auf die erfolgreiche Gestaltung und Durchführung eines internationalen Jugendaustausches. Sie tragen die Verantwortung für den Rahmen und Prozess der Veranstaltung, indem sie die Teilnehmer:innen zu einer Gruppe zusammenführen, die Prozesse der Gruppenbildung anleiten, die inhaltliche Agenda gestalten und die Gruppe begleiten, dieser folgen zu können. Auch für den zeitlichen Rahmen sind sie verantwortlich.

Jugendleiter:innen können bei der Gestaltung des digitalen Gaming Jugendaustausches besonders die folgenden Faktoren berücksichtigen:

Die diskriminierungsfreie Gestaltung des Raumes ist wesentlich, um eine gleichberechtigte Begegnung der Jugendlichen zu ermöglichen, die unabhängig von Herkunft, Geschlecht, sexuellen Orientierung, Religion oder anderen persönlichen Merkmalen ist. Besonders in internationalen Kontexten, in denen Jugendliche aus verschiedenen politischen und kulturellen Hintergründen zusammenkommen, ist es wichtig, eine Atmosphäre der psychologischen Sicherheit zu schaffen. Jugendleiter:innen können als Vorbilder durch ihr eigenes Verhalten zeigen, wie man respektvoll und wertschätzend mit Vielfalt umgeht. Auch eigene Fehler oder Unsicherheiten können angesprochen werden, um andere zu ermutigen, sich zu zeigen.

Dafür brauch es eine offene Gesprächskultur, in der sich Jugendliche ermutigt fühlen, ihre Gedanken und Gefühle auszudrücken und auch schwierige Themen anzusprechen. Es braucht Gesprächsräume für politische und persönlich sensible Themen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in der digitalen Kommunikation weniger körperliche oder nonverbale Signale wie Geruch oder Gestik das Vertrauen stärken, was zu Unsicherheit oder Missverständnissen führen kann. Um dem präventiv entgegenzuwirken, können gemeinsame Regeln des sozialen Miteinanders entwickelt werden, die empathisches Verhalten und Eigenverantwortung stärken. Der kreative Einsatz von Chat-Funktionen, GIFs und Emojis können den digitalen Gefühlsausdruck unterstützen.

Erfolgsmomente und herausfordernde Erfahrungen im Spiel können im Jugendaustausch starke Emotionen hervorrufen, von Freude bis zu Frustration. Gespräche über Kommunikation, die sogenannte Metakommunikation, machen es möglich, Spannungen und Emotionen zu adressieren. Die Entwicklung von Resilienz gegenüber Misserfolgen und die Fähigkeit, aus Fehlern zu lernen, sind wichtige Lektionen, die über das Gaming hinaus in das reale Leben übertragen werden können.

Das Spannungen auch zu Konflikten führen können, sind natürliche Prozesse in Gruppen. Teams und Jugendgruppen durchlaufen verschiedene Phasen in ihrer Beziehungsbildung. Am Anfang gibt es das ‚Forming‘, die vorsichtige Kennenlernphase. Darauf folgt das ‚Storming‘, eine oftmals konfliktreiche Phase, in der unterschiedliche Perspektiven und Weltsichten sichtbar werden. Hier werden die Verteilung von Aufgaben innerhalb des Spiels und soziale Rollen ausgehandelt (1965, Tuckman). Entscheidendes Ziel der Jugendleiter:innen kann grundsätzlich der Aufbau einer Kultur der Offenheit und des Respekts sein, um ein unterstützendes Umfeld zu schaffen, in dem Jugendliche bereit sind, durch Herausforderungen zu arbeiten, anstatt sich zurückzuziehen.

Digitale Plattformen schaffen eine besondere Herausforderung in der ‚Storming‘ Phase: Die Fluktuation ist sehr viel einfacher und soziale niedrigschwelliger für die Teilnehmende, da sie die Möglichkeit haben, einfach mit einem Klick "auszusteigen". Studien zeigen, dass bei Online-Kursen die Quote der Aussteiger:innen um 10 bis 20 % höher als bei traditionellen Präsenzveranstaltungen ist (Herbert, 2006). Auch die Verbindlichkeit der Anmeldung zum Jugendaustausch ist im digitalen Setting geringer ausgeprägt.

Jugendleiter:innen können sich dieser Dynamik bewusst sein und Strategien entwickeln, um die Anwesenheitsquote verlässlicher zu gestalten. Dabei können Vorgespräche, ko-kreative Prozesse, kleinere Veranstaltungen und Prototypen vor dem Jugendaustausch helfen, um Beziehung zu etablieren und das Commitment stärken. Wirken einzelne Teilnehmer betroffen oder steigen während der Veranstaltung aus, gilt es Wege zu haben, individuell im 1:1-Setting mit ihnen in die Kommunikation zu treten. Im digitalen Kontext muss die Einzelbeziehung bewusst vorbereitet und vereinbart werden, da die Jugendleiter:in anders als im physischen Raum nicht automatisch einen 1:1-Kontakt zu den Teilnehmenden haben.

Es gibt noch ein weiteres Element, das im digitalen Raum nicht wie von selbst passiert: der informelle Kontakt. Beziehungsbildung passiert nicht nur in den strukturierten Formaten, sondern besonders in den spontanen Gesprächen, beim Mittagessen oder in unvorhergesehenen Situationen. Hier entstehen Erfahrungen, die über das Gaming und angeleiteten Gruppenaustausch hinausgehen.

Dabei gilt im digitalen Raum jedoch nicht immer ‘mehr Zeit miteinander ist mehr’. Das Bild von den Jugendlichen, die im Jugendaustausch bis spät vor dem zu Bett gehen in Gespräche versunken sind, lässt sich nicht 1:1 in den digitalen Raum übersetzten.

Denn für den digitalen Jugendaustausch ist ein gesundes Zeitmanagement entscheidend. Dabei geht es darum, bewusst Pausen und bildschirmfreie Zeiten einzuplanen, um Übermüdung und digitale Erschöpfung zu vermeiden.

Den Teilnehmer:innen realistische Pausen einzuräumen ist außerdem für die Aufmerksamkeitsspanne und die Integration von Aspekten der Selbstfürsorge relevant. Die Pausenzeit kann für die Selbstfürsorge, wie z.B. die Zubereitung von Essen, Erledigungen persönlicher Aufgaben und freier Bewegung eingesetzt werden. Diese Pausen sind nicht nur für die körperliche und psychische Gesundheit wichtig, sondern bieten auch Raum für Selbstreflexion und fördern das soziale Miteinander außerhalb des digitalen Kontextes.

In der Tagesplanung Zeit für gesundheitsförderliche Aktivitäten einzuräumen, ist besonders relevant in Bezug auf die Förderung von Bewegung als Kontrast zum längeren Sitzen. Dabei sollte besonders die Augen- und Rückengesundheit berücksichtigt werden. Diese Bewegungseinheiten können sowohl in den Pausenzeiten passieren als auch gezielt angeleitet und gemeinsam erlebt werden. Auch andere gesundheitsförderliche Prinzipien können integriert werden, wie z.B. ein positives Ernährungsverhalten durch gemeinsames digitales Kochen.