Bei der Auswahl geeigneter Spiele sind aus pädagogischer Perspektive verschiedene Kriterien abzuwägen. Vor der Entscheidung für bestimmte Spiele steht die Frage, wen der Jugendaustausch ansprechen möchte. Die Bewertung der Kriterien für die Auswahl der Spiele kann je nach Zielgruppe unterschiedlich ausfallen.
Möchte der digitalen Gaming-Jugendaustausch die gleichen Jugendlichen erreichen, die sonst an einem physischen Austausch teilnehmen? Dann sind die Spiele selbst tatsächlich weniger relevant als der gemeinsame Spaß, die geteilte Erfahrung und das gegenseitige Kennenlernen. Das Spiel selbst bildet die Brücke, über die Verbindung möglich wird. In diesem Szenario ist es auch wichtig, Spiele zu wählen, die für alle zugänglich sind.
Auch wenn Jugendliche adressiert werden wollen, denen es nicht möglich ist, an einem physischen Jugendaustausch teilzunehmen – zum Beispiel aus politischen Gründen, Mobilitätseinschränkungen oder sozialem Rückzug - ist die Game-Auswahl mit Blick auf Zugänglichkeit zu wählen. Durch das breite Spektrum an Games ist es möglich, die spezifischen Bedürfnisse der Teilnehmer:innen zu berücksichtigen. Das braucht allerdings viel Zeit, Expertise und Dialog.
Ist die Zielgruppe Gamer:innen oder Jugendliche mit Spielerfahrung, dann nehmen die Spiele selbst mehr Raum und Bedeutsamkeit ein. Es gibt eine andere technische und digitale Erfahrung und Medienkompetenz. Hier ist es relevant, die Erwartungshaltung abzufragen und die Expertise der Jugendlichen für die Gestaltung und Auswahl der Games zu nutzen.
Sind die Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe präsent, können folgende Kriterien für die Auswahl der Games reflektiert werden.
Basiskriterien für die Spieleauswahl
- Zugänglichkeit: Spiele und Plattformen sind für die Zielgruppe zugänglich und die Anforderungen sind für die Jugendlichen erfüllbar. Frustmomente und Hürden sind beim Spielen unumgänglich. Gleichzeitig müssen die technischen und rechtlichen Voraussetzungen gegeben sein, um eine kontinuierliche Teilnahme am Jugendaustausch möglich zu machen.
- Sicherheit: Die Inhalte sind für die Altersspanne der Zielgruppe geeignet und die Risikofaktoren Gewaltdarstellungen, Suchtpotential und Datenschutz werden berücksichtigt. Dabei gilt es sowohl auf die Bedarfe der Jugendlichen einzugehen und die Rahmenbedingungen des Jugendaustauschs gemeinsam zu gestalten als auch eine eigene Haltung unter den Jugendleiter:innen zu entwickeln.
- Digitalkompetenz: Das Spiel selbst kann nur so viel Wirkung entfalten, wie die digitale Ausstattung und Digitalkompetenz der Spieler:innen es zulässt. Das bedeutet nicht, dass es ein einheitliches Niveau oder eine ähnliche Vorerfahrung mit Spielen braucht. Gerade die Heterogenität kann im Jugendaustausch für wertvolle Lernerfahrung sorgen. Gleichzeitig darf es eine Stimmigkeit geben zwischen den Anforderungen der Games und den Kompetenzen der Leiter:innen und Teilnehmer:innen.
Erweiterte Kriterien für die Spieleauswahl:
- Spaß und Emotionen: Ein Jugendaustausch lebt von positiver geteilter Erfahrung und gemeinsamen Emotionen. Das gilt auch für das Online-Gaming. Die Spiele selbst dürfen den Rahmen für eine motivierende Atmosphäre unter den Jugendlichen setzen.
- Eine gemeinsame Aufgabe: Ein Ziel, eine Quest oder eine gemeinsame Challenge können Motivation schaffen und die Gruppenerfahrung stärken. Dabei kann es sinnvoll sein, einen roten Faden über den gesamten Jugendaustausch laufen zu lassen.
- Kooperation oder spielerischer Wettbewerb. Kooperative Spiele stärken die Kooperationsbereitschaft und haben damit ein großes Potential, die Verbindung zwischen den Jugendlichen positiv zu beeinflussen. Die Annahme, dass kooperative Spiele grundsätzlich förderlicher für kooperatives Verhalten sind als konkurrierende Spiele, wird jedoch durch eine differenzierte Betrachtung von Kooperation, Konflikt und Konkurrenz relativiert. Kooperation erweist sich als eine komplexe und anspruchsvolle Form sozialer Interaktion, die nicht nur durch die Spielart, sondern vielmehr durch die bewusste Gestaltung der Interaktionsdynamiken und die spezifischen Ziele der Teilnehmenden beeinflusst wird. Konflikte und Konkurrenzverhalten, traditionell als Gegenpole der Kooperation betrachtet, können unter bestimmten Bedingungen sogar als Katalysatoren für kooperatives Verhalten fungieren, indem sie produktive Spannungen erzeugen und Raum für kreative Lösungsansätze bieten. Die Wahl zwischen kooperativen und konkurrierenden Spielformen sollte daher nicht pauschal, sondern basierend auf einer Analyse der Gruppendynamik und der verfolgten pädagogischen Ziele getroffen werden (Roolf, 2006).
Es gibt somit viele Möglichkeiten, Spiele so auszuwählen, dass sie zu dem Bedarf des jeweiligen Jugendaustauschs passen. Gleichzeitig ist es essenziell, dass die zeitlichen Ressourcen der Organisator:innen in guter Balance auf die bewusste Spieleauswahl und die Kontextgestaltung bzw. Beziehungsbildung verteilt werden.
Die technischen Kriterien für die Auswahl von Games sind hier gesammelt: Technische Auswahl von Games
Quellenverzeichnis
Roolf, A. (2006). Spiel mit mir ich spiel mit dir: Kooperation und Spiel als Gestaltungsprinzipien von Organisation und Geschäftsmodell. Zollverein School of Management and Design, Universität Duisburg-Essen. https://www.anniroolf.eu/wp-content/uploads/2019/01/Thesis_Anni_Roolf.pdf